Die saarländischen Stadtwerke und die Soforthilfen

In dem erlösenden „Die Soforthilfe kommt“ des Bundeskanzlers schwingt viel mit von „Die Politik hat abgeliefert – jetzt wird alles gut“. Bei aller Euphorie jedoch darf Scholz‘ Ankündigung keineswegs darüber hinwegtäuschen, dass der Entwurf nicht ganz frei von „Schönheitsfehlern“ ist. Von Unsicherheiten, die in erster Linie die prozessuale und operative Umsetzung der geplanten Entlastungsmaßnahmen betreffen. Und die bleibt nun quasi abseits von den Scheinwerfern der großen Bühne an den Stadt- und Gemeindewerken, den regionalen Energieversorgern hängen. Für die aktuell ohnehin extrem an- und eingespannten EVU jedenfalls ist das Paket schon jetzt zu einer weiteren veritablen Herkulesaufgabe avanciert.

Jetzt, da gibt es kein Vertun, setzen die Stadt- und Gemeindewerke alles ihnen Mögliche daran, die Vorstellungen der Bundesregierung die Soforthilfen betreffend auch umzusetzen. Voraussetzung dafür ist, dass sie für die erforderliche Planungssicherheit der EVU Sorge trägt, dass die Vorgaben klar und in der Praxis umsetzbar sind. Es geht schließlich um viel. Anfang November hat die Bundesregierung das Soforthilfegesetz für Gas und Wärme im Kabinett auf den Weg gebracht.
Es soll Haushaltskunden und Unternehmen mit einem Jahresverbrauch von bis zu 1,5 Mio. kWh, also rund 20 Mio. Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland, schon in diesem Dezember spürbar entlasten. Und das ist angesichts des Ausmaßes der aktuellen Energiekrise zweifelsohne dringend geboten.

Hoher Erwartungsdruck auf den EVU
Entscheidend dabei ist, dass die avisierten Hilfen auch sicher und rechtzeitig bei den Menschen ankommen, die bereits seit geraumer Zeit extrem verunsichert sind und oftmals nicht wissen, wie sie diesen Winter überstehen sollen. Vor dieser Kulisse stehen die regionalen EVU als Partner ihrer Kundinnen und Kunden in der Pflicht und nehmen diese sowie die derzeitigen Ängste, Sorgen und Probleme der Verbraucher in ihrer Region angesichts der immens hohen Energiepreise sehr ernst. Daher erarbeiten sie zusammen mit den Menschen vor Ort individuelle Lösungen und suchen gemeinsam mit ihnen Auswege aus der Krise.

Keine Zeit für Spielchen
Derzeit erleben wir eine ausgeprägte Energiekrise, die ihresgleichen sucht. Die ohnehin schon angespannte Lage auf den Energiemärkten wurde dabei durch den Angriff Russlands auf die Ukraine drastisch verschärft, was 2022 zum Teil zu extremen Preissteigerungen bei Haushalten und Unternehmen geführt hat. Hinzu kommen eine handfeste Inflation und eine drohende Rezession, die in Summe großes Potenzial besitzen, den sozialen Zusammenhalt hierzulande und die Stabilität unserer Volkswirtschaft nachhaltig zu beeinträchtigen. Die beschriebene Situation hat insoweit ein dringend notwendiges Umdenken eingeleitet, als nun keine Zeit mehr für Kapriolen ist. Weder für irgendwelche Schuldzuweisungen noch überzogene Forderungen oder „die üblichen politischen Spielchen“. Oder anders: Alle Akteure sind derzeit gut beraten, nach Möglichkeit konstruktiv mit dem jeweils anderen zusammenzuarbeiten. Für egoistische Alleingänge ist die Krise viel zu ernst und die Zeit, die besser genutzt werden kann, an guten Lösungen und Auswegen zu arbeiten, viel zu kostbar.

Restriktionen bei der Umsetzung der Hilfen
Nichtsdestotrotz ist eine gute Zusammenarbeit nicht immer leicht. Das heißt, dass die Schwierigkeiten und Restriktionen bei der ambitionierten Umsetzung der Entlastungsmaßnahmen seitens der EVU in vielerlei Hinsicht von niemandem vernachlässigt werden dürfen. Weder von der Bevölkerung, die jetzt zu Recht hohe Erwartungen in sämtliche Akteure setzt, geschweige denn von der Politik.

Die Schwierigkeiten, denen sich die saarländischen Stadt- und Gemeindewerke bei der Umsetzung der geplanten Maßnahmen gegenübersehen, manifestieren sich in zahlreichen Details und sind extrem komplex. Zum einen sind Abrechnungssysteme generell sehr stark auf Kontinuität und standardisierte Prozesse ausgelegt. Daher benötigen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angesichts häufiger Veränderungen wie Einmalzahlungen oder Einmalabsenkungen auch ausreichend Zeit, um die notwendigen Abrechnungs- und IT-Prozesse sicher, robust und fehlerfrei für die Umsetzung vorzubereiten. Hier müssen z. B. entsprechende Beträge errechnet und automatisierte Abrechnungen für Millionen Kunden geändert werden.

Zwar ist die Digitalisierung bei den EVU schon weit fortgeschritten. Trotzdem muss eine, etwa von den zusätzlichen Anstrengungen einer spät gestoppten Gasspeicherumlage „angeschlagene“ Belegschaft aktuell beispielsweise immer neue Sonderregelungen einpflegen. Die modifizierte „neue Software“ muss im Anschluss jedes Mal, bevor sie „auf die Kunden losgelassen wird“, sorgfältig und zeitaufwendig getestet werden. Und das alles kostet Zeit, unendlich viel qualifiziertes Personal und Geld.

Und das ist nur ein Beispiel von vielen. Um ein vages Gefühl dafür zu entwickeln, wie es durch die angekündigten Entlastungen zurzeit um die tatsächliche Komplexität im Alltag der Energieversorger bestellt ist, helfen vielleicht ein paar weitere Blicke hinter den Vorhang. Bei der ersten Soforthilfe, der Entlastung in Form der Übernahme des „Dezember-Abschlags“ durch den Staat, geht dieser gemäß der Berechnungslogik der Regierung von zwölf Abschlägen pro Jahr aus. Demnach wird der Vorjahresverbrauch zur Ermittlung des Entlastungsbetrags gezwölftelt. Da jedoch einige Betriebe lediglich mit elf Abschlägen pro Jahr operieren, fehlt den betreffenden Unternehmen schon von vornherein Geld.

Unbenommen davon erwächst den Werken insofern generell ein gewisses Liquiditätsrisiko, als eine verspätete Auszahlung des zugesagten „Dezember-Abschlags“ nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Erschwerend hinzu schließlich kommt auch der Umstand, dass es sich bei einigen Kunden um Barzahler, bei anderen wiederum um Überweiser handelt, die von Fall zu Fall händisch im System bearbeitet werden müssen.

Selbstverständnis der saarländischen EVU und die Politik
Wenn saarländische Vertreter kommunaler EVU handwerkliche Fehler am Entlastungspaket der Bundesregierung monieren, beschränken sich diese im Wesentlichen auf die schwierige Umsetzbarkeit und das enge dafür zur Verfügung stehende Zeitfenster. Gleichzeitig räumen sie relativierend ein, dass der Entwurf unter extremem Zeitdruck erarbeitet werden musste. Ferner sind die Regelungen viel zu komplex, was nach Überzeugung von Branchen-Insidern nicht selten aus Angst vor Missbrauch geschieht, immer wenn der Staat im großen Stil Steuergelder zur Verfügung stellt. In der Folge sind die Vorgaben dann so sehr aufgebläht, dass sie von den Stadt- und Gemeindewerken, von den EVU operativ nur noch schwierig darstellbar sind.

Aber generell gilt das Verhältnis der saarländischen EVU und allen voran ihrer Vertreter in den Verbänden zur Politik durchaus als ein besonderes. Früher waren VKU und VEWSaar beispielsweise von Haus aus eher Lobby-Verbände, die die Interessen der Stadt- und Gemeindewerke bzw. der Energieversorger gegenüber der Politik vehement vertreten haben. Im Zuge der Energiekrise hat sich hier ein Wandel hin zu einer Art „Partner der Politik“ vollzogen.

Bei so viel Verständnis und Entgegenkommen seitens der Energieversorger werden im Gegenzug berechtigte Forderungen laut, die Politik möge die EVU, die Praktiker, doch bitte früher und stärker in die Prozesse einbinden. Politiker sollten die wertvolle operative Erfahrung, die profunde Kompetenz der EVU aus den letzten 50 oder 100 Jahren annehmen und sich diese im Dienste der Sache für neue praktikable Regelungen zunutze machen. Denn wer, wenn nicht die EVU, sollte hier über bessere Kenntnisse verfügen, wie man Verbraucher in der Praxis effizient unterstützen kann und was tatsächlich alles damit verbunden ist?

Daseinsvorsorge
Die originäre Aufgabe der Stadtwerke und regionalen Energieversorger ist nun mal die Daseinsvorsorge. Deshalb stehen sie immer an der Seite ihrer Kunden und sind bestrebt, diese stets sicher mit bezahlbarer Energie zu versorgen. Im Vordergrund steht nicht der schnelle Abschluss oder ein hoher Gewinn, sondern die Zufriedenheit der Kundinnen und Kunden, mit denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeinsam in ein und derselben Region leben.

Besonders die saarländischen Energieversorger verstehen sich als zuverlässige Partner ihrer Kundinnen und Kunden. Die von gegenseitigem Vertrauen geprägte Partnerschaft ist insofern fast zwangsläufig behutsam über Jahrzehnte hinweg organisch gewachsen, als beide Seiten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtwerke sowie die Anwohnerinnen und Anwohner, tief mit ihrer Region verwurzelt sind und sich mit ihr identifizieren.

Dabei ist eine gute harmonische Zusammenarbeit mitnichten eine Einbahnstraße. Denn auch die Menschen vor Ort haben die Möglichkeit, die gute Arbeit ihrer Stadtwerke in der Daseinsvorsorge zu unterstützen. Denn die können ihren Kunden insofern stabile, sichere und faire Preise bieten, als sie eine sehr konservative und weit in die Zukunft gerichtete Einkaufspolitik betreiben. Das macht die saarländischen Energieversorger besonders resilient in Krisen. Und je mehr Menschen den Stadtwerken ihr Vertrauen schenken und in die Tarife gehen, desto verlässlicher können die Einkäufer zum Wohle aller Kundinnen und Kunden auch für „schlechte Zeiten“ planen.

Gerade in ausgewachsenen Krisen, denen nachgesagt wird, dass sie einiges schonungslos zum Vorschein bringen, was „in Friedenszeiten“ gern einmal unterm Radar abtauchen und im Verborgenen bleiben kann, zeigt sich der wahre Wert eines zuverlässigen Partners wie eines Energieversorgers, der für seine Kundinnen und Kunden da ist. Der es gut mit ihnen meint und sie seit Äonen immer kompetent berät.

Energiesparen bleibt Gebot der Stunde
Apropos, als wohlwollende Partner empfehlen Beraterinnen und Berater der Stadtwerke bereits jetzt mit Blick auf die Wintersaison ‘23/‘24, unbedingt weiterhin nach Kräften Energie zu sparen. Selbst dann damit weiterzumachen, wenn die negativen Konsequenzen in diesem Winter subjektiv durch die Entlastungen weit weniger gravierend ausfallen sollten als erwartet. Denn selbst das beste Entlastungspaket erzeugt physisch nicht einen Kubikmeter mehr Erdgas – und das bleibt nach wie vor ein knappes Gut.